Fahrrad, Fax und 160 Zeichen Zukunft

Technik vergangener Jahrzehnte liegt voll im Trend, dachte ich mir als ich eine SMS an meinen fast volljährigen Neffen schickte. Er benötigte ein neues Fahrrad und wir verabredeten uns per Kurznachricht zwecks Sichtung in Frage kommender Modelle beim örtlichen Zweiradhändler.

War man von gut 50 Jahren noch dabei, die „autogerechte Stadt“ zu planen, setzt sich in Großstädten heutzutage doch immer mehr das Velo, dessen Entwicklung vor rund 200 Jahren begann, als das Mittel der Wahl zur individuellen Fortbewegung durch. Dabei verdrängt es mehr und mehr vermeintlich modernere Fortbewegungsmittel. Mein Neffe liegt da voll im Trend, einen Führerschein strebt er vorerst gar nicht an, er zieht das Fahrrad vor. Zur Erfolgsgeschichte des Rads trugen zahlreiche Innovationen bei: zum Beispiel Schaltgetriebe, Scheibenbremsen, Nabendynamo, pannensichere Reifen oder gewichtssparende Materialien wie Aluminium und Karbon.

Erreichbarkeit durch Kompatibilität

Fahrrad

Technik vergangener Jarzehnte liegt voll im Tend: Egal ob Fahrrad, Fax oder SMS. (Quelle: Creme Cycles)

Vor dem Fahrradgeschäft raunzte mich der Halbwüchsige an, es sei jetzt wirklich langsam mal an der Zeit, dass ich ihn über WhatsApp anschreiben solle. SMS sei sowas von out, die verwende ja außer seinen Eltern und mir niemand mehr. Und in der Tat gibt es Statistiken, die nahelegen, die SMS sei am Aussterben. So vermeldet der Jahresbericht der Bundesnetzagentur, dass die Zahl der versendeten SMS von 37,9 Milliarden (2013) auf 22,5 Milliarden (2014) zurückgegangen ist und zunehmend durch Messaging Apps und E-Mails ersetzt würden.

Allerdings konnte der junge Mann nicht abstreiten, dass ihn die SMS erreicht hat und so unser Zusammentreffen zwecks Radkauf tatsächlich stattfinden konnte. Die Kommunikation hat also zuverlässig funktioniert. Und genau da liegt der Vorteil vermeintlich aussterbender Technologien – sie sind äußerst kompatibel. Eine SMS zum Beispiel erreicht auch Menschen, die keine App eines speziellen Messenger-Anbieters installiert haben, oder die temporär keinen Zugang zum mobilen Internet haben.

Moderne Anwendungen

Erst diese Kompatibilität ermöglicht viele moderne Anwendungen: Online Banking per iTan, per SecureCode abgesicherte Kreditkartenzahlungen im Web, automatisierte Notrufe im Falle eines Autounfalls oder das SMS-Voting. Bereits vor drei Jahren wurde die Zukunft der SMS in der der Machine-to-Machine Kommunikation gesehen. Und im Zuge von „Industrie 4.0“ und „Digitaler Fabrik“ wird SMS immer mehr für die Maschinenkommunikation eingesetzt. So melden sich zum Beispiel in der Automobilfertigung Maschinen per SMS beim zuständigen Servicetechniker, wenn sie eine Wartung benötigen oder aufgrund unvorhergesehener Störungen ein Produktionsausfall bevorsteht.

Vermeintlich veraltet

SMS ist nicht das einzige Medium, das sich trotz Einführung neuer Kommunikationswege bestens bewährt. Auch das Fax wird gelegentlich für tot erklärt. Wobei sich der ein oder andere eingestehen muss, dass die tote Technik doch noch lebt. Für Unternehmen ist sie weit wichtiger als so manche neuere Technologie. Und so kommentiert Peter Glaser, Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, völlig zurecht, dass es sich dabei nur um eine scheinbar veraltete Kommunikationsform handelt.

Denn wie das Fahrrad hat sich auch das Fax kontinuierlich weiterentwickelt. Es handelt sich schon längst nicht mehr um die einfache „Fernkopie“. Mail-to-Fax und Fax-to-Mail ermöglichen Versand und Empfang bequem auf dem PC und machen die Handhabung einfach wie E-Mail. Zusatzfunktionen wie Texterkennung via OCR machen archivierte Fax-Dokumente leicht durchsuchbar und über die automatisierte Erkennung von Barcodes oder QR-Codes lassen sich Arbeitsabläufe automatisieren. Für Unternehmen, die aus ihren ERP- oder CRM-Systemen heraus geschäfts- oder zeitkritische Informationen wie beispielsweise Lieferavise, Rechnungen, Stornierungen oder Bestellungen an Lieferanten und Kunden senden, ist Fax ohnehin nicht wegzudenken.

Per Fax bestellt

Bevor ich ihm jetzt auch noch die Vorzüge er E-Mail erkläre, sollten wir uns lieber der Auswahl eines neuen Drahtesels widmen, meinte mein Neffe. Seine Wahl fiel dann überraschend traditionell aus. Er entschied sich nicht für ein vermeintlich modernes 29er oder Cyclocrosser, sondern für ein klassisches Rad mit Stahlrahmen, Nabenschaltung und Felgenbremsen. Das war allerdings nicht in seiner Größe im Laden. Der Händler bestellte eines beim Hersteller – per Fax. Und wenn das Rad im Laden ist, wird mein Neffe benachrichtigt – per SMS.

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